FedinautInnen im c-base: Der zweite Berliner Fediverse Tag
aoe / 15. Oktober 2025 / Lesezeit: 8 Minuten / Tags: Fediverse
Zu zwei vollgepackten Tagen mit Vorträgen und Workshops zum Thema Fediverse kamen viele – auch internationale – Interessierte zum 2. Berliner Fediverse Tag (kurz Fediday) nach Berlin.

Das dezentrale soziale Netzwerk hat seinen Namen aus der Kombination von »federation« und »universe«. Es gibt zahlreiche Plattformen, die ins Fediverse führen, darunter Mastodon (Mikroblogging), Pixelfed (Fotos) und PeerTube (Video), womit die Liste aber nicht annähernd vollständig wäre.
Im Vorfeld zu diesem Text habe ich immer wieder überlegt, was ein rote Faden für meinen Blogbeitrag sein könnte. Die Veranstaltung ermöglichte viele Einblicke, Diskussionen und Begegnungen, die zeigten, dass das Fediverse eine ausgesprochen facettenreiche Angelegenheit ist.
Das Fediverse bietet Freiraum, man kann sich zu den verschiedensten Themen vernetzen (Linux, Wissenschaft, internationale Politik, Barrierefreiheit, Selbstgemaltes oder Katzenbilder, um nur Beispiele zu nennen). Und das alles läuft letztendlich selbstorganisiert und ohne Algorithmen ab.
So war auch der Fediday ein selbstorganisierter Event von »Mitglieder:innen des Fediverse Stammtisch Berlin in Zusammenarbeit mit der c-base«.
Der rote Faden könnte also Vielfalt sein. Und der Wille, diese Vielfalt zu fördern und für noch weitere Felder zu nutzen.
Das Fediverse bekannt machen
In der Fedibubble kann man schnell vergessen, dass dieses soziale Netzwerk in der Breite tatsächlich wenig bekannt ist. »Fediverse« muss ich regelmäßig buchstabieren. »Mastodon? Hört sich wie Mastdarm an«; das habe ich mehrfach gehört.
Die italienische Filmmacherin Elena Rossini, stellte gleich zu Beginn ihr viral gegangenes Video vor, dass das Fediverse in 4 Minuten nicht nur verständlich erklärt, sondern auch Lust macht, das mal selbst auszuprobieren.
Elena Rossini erfuhr und erfährt viel positives Feedback und die Community half in Windeseile, das Video in verschiedenen Sprachen zu untertiteln und sogar von Sprechern und Sprecherinnen aus verschiedenen Ländern mit Voiceover zu ergänzen. Die Video in deutscher Sprache erlebte auf dem Fediday seine Premiere.
Ein probates Mittel, um das Fediverse bekannter zu machen, stellte Ralf Stockmann, von der Zentral- und Landesbibliothek Berlin vor: Die Mastowall. Dieses Tool für Konferenzen und andere Veranstaltungen zeigt alle Fediverse-Beiträge, die unter einem Hashtag laufen. Natürlich kann man auch mehrere Hashtags abfragen. Inzwischen ist die Mastowall in der zweiten Version verfügbar und es gibt zudem die Fediwall.
Das +1-Konzept, das Ralf Stockmann im vergangenen Jahr vorstellte, ist inzwischen weithin bekannt und findet immer mehr Fürsprecher. Die Idee ist so einfach wie bezwingend: Jede Institution oder Organisation, die öffentliches Geld bekommt, muss zusätzlich zu den anderen Social-Media-Kanälen auch im Fediverse präsent sein. Und es scheint, dass diese Idee so langsam Früchte trägt.
Auch die Benutzeroberfläche von Software spielt eine Rolle, ob digitale Anwendungen angenommen werden. Ralf Stockmann fragte, warum Mastodon hier so unbedingt anders sein muss, als die kommerziellen Angebote: Profilbild im abgerundeten Rechteck und umfließender Text statt Einrückung. Halb im Spaß regte er an, den bekannten Schriftdesigner Erik Spiekermann für die Neugestaltung der Mastodon-Oberfläche zu gewinnen.
Förderung heißt auch Finanzierung
Algorithmen gefährden eine freie Meinungsbildung und verzerren die Wahrnehmung. Der Journalist und Medienwissenschaftler Björn Staschen ist Mitinitiator der Initiative »Save Social«. Ziel der Initiative ist, alternative und offene Netzwerke zu fördern, was im Detail bedeutet, Leute zu mobilisieren und Gelder zu beschaffen: also Lobbyarbeit. Unter dem Titel »Soziale Netzwerke als demokratische Kraft retten« sollen Alternativen zu den großen, algorithmusgesteuerten Plattformen gefördert werden, vorzugsweise europaweit.
Eine derzeit laufende Petition »Soziale Netzwerke als demokratische Kraft retten« richtet sich an demokratische Parteien im Bundestag, die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Länder und die EU-Kommission. Viele bekannte Einzelpersonen und Organisationen unterstützen »Save Social«, darunter die Journalisten-Verbände dju und DJV, digitalcourage und Greenpeace.
Politische Überzeugungsarbeit
Die Politikwissenschaftlerin Sandra Barthel engagiert sich politisch in Europa für digitale öffentliche Infrastrukturen. Sie stellte das Fediverse als eine Basis für eine gemeinwohlorientierte digitale Daseinsvorsorge für Europa vor. Politisch Verantwortlichen das Fediverse vorstellen und die Bedeutung eines unabhängigen Kommunikationsmittels erklären, ist oft ein mühsames Unterfangen, wie Sandra Barthel berichtete.
Gefördertes Fediverse weiterhin unabhängig?
In den Pausen wurde intensiv auch darüber diskutiert, inwieweit öffentliche Gelder und/oder Strukturen die Unabhängigkeit des Fediverse auf längere Sicht einschränken könnten. Das kommt aus meiner Sicht auf die Rahmenbedingungen an. Und im schlimmsten Fall kann man mit dem eigenen Account auch wieder umziehen. Anders als bei den geschlossenen Plattformen werden die AnwenderInnen im Fediverse nicht eingeschlossen und festgehalten.
Praxisbeispiel BSI
Ja, auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist nicht nur im Fediverse, sondern war mit Tobias Jobke (Social-Media-Stratege) auf dem Fediday in Berlin präsent. Nicht nur IT-Interessierte lesen die Beiträge des BSI, auch viele nicht ausgesprochen technikaffine Leser und Leserinnen hat der Kanal. So sollen in Zukunft auch weniger technische, sondern ganz praktische Tipps, etwa zur Datensicherheit, veröffentlicht werden.
Mich persönlich hätte sehr interessiert, welches eigens entwickelte Werkzeug das BSI zum Crossposten verwendet – leider konnte Tobias Jobke aus Sicherheitsgründen keine weiteren Details nennen.
Meinungsbildung
Jos Poortvliet, Communications Director bei Nextcloud, sprach darüber, wie Netzwerke einen Einfluss darauf haben, auf welche Weise Menschen miteinander kommunizieren. Er stellte wissenschaftliche Untersuchungen vor, nach denen es entscheidend ist, dass Menschen ihre Gruppe frei wählen können. In einer Zeit der wachsenden Monopolisierung sieht er dies gefährdet. Europäische Gesetzgebungen versuchen sich der Entwicklung entgegenzustellen, doch die Datensouveränität ist unter Druck. Jos Poortvliet empfiehlt, Gesetze tatsächlich durchzusetzen und geeignete Open-Source-Lösungen einzusetzen. In einer Passage zum Thema Softwareentwicklung stellte er klar, dass Subventionen das Vorankommen von Vorhaben auch bremsen können, weil sehr viel Energie in Meetings und Gremien versickern kann.
Videoaufzeichnungen auf c-tube
Bei dem teils parallel laufenden Programm konnte ich natürlich nicht alle Vorträge live sehen. Auf der PeerTube-Instanz von c-base wurden inzwischen alle Aufzeichnungen veröffentlicht.
Da habe ich noch einiges auf der Liste, etwa zu Bookwyrm (Jascha) und zum Fedi-Flohmarkt (Grindhold). Und auch den Beitrag von Rebecca Sieber zu juristischen Fragen und Grundlagen möchte ich noch ansehen.
C-tube zum fediday: https://c-tube.c-base.org/search?search=fediday2025&searchTarget=local
Der Medientag
Am zweiten Tag waren die Medien am Zug. Kurzpräsentationen zeigten, wie verschiedene Medien derzeit im Fediverse aktiv sind.
Bei den Kurzsession zu »Medien im Fediverse« waren folgende ReferenInnen auf der Bühne: Valentina Hirsch (Social Media Managerin 3sat), Alexander Plaum (Fellow Media Lab Bayern / SWR X Lab und Innovation Manager), Alexander Baratsits (DisplayEurope.eu, CBA.media im TEMS-dataspace.eu) und Andreas Böhmer (ARD Partnermanagement Social Media) sowie Denis Schmidt (Softwareentwickler Public Spaces Incubator ZDF).
Valentina Hirsch stellte den gelungenen Start von 3sat im Fediverse vor. Das Social-Media-Team, das auch das Fediverse bespielt, war äußerst positiv überrascht, wie enthusiastisch 3sat aufgenommen wurde. Wichtig für den Erfolg sei die offene Kommunikation und nicht nur ein Absetzten von Beiträgen. Ein optisch gut wiederzuerkennender Auftritt sorgen dafür, dass die Marke 3sat schnell in den Feeds zu finden ist. Beiträge, die dazu geeignet sind, werden auch gern mit einem Augenzwinkern präsentiert.
Barcamp
Damit die TeilnehmerInnen sich besser kennenlernen und austauschen können, gab es an Tag zwei auch eine Barcamp-Runde in mehreren Kleingruppen. Für mich war hier neu, dass Wikidata im Fediverse ist und dass mit diesen Daten Mastodon-Listen zu verschieden Rubriken erstellt werden können. So sind Übersichten zu Hochschulen und zu Museen im Fediverse online stets aktuell verfügbar inklusive Spalte zu der Anzahl der bislang veröffentlichen Beiträge. Es lässt sich auch nachvollziehen, ob der jeweilige Account verifiziert ist. So ergibt sich ein genaueres Bild über die tatsächlichen Aktivitäten. Das halte ich als Diskussionsgrundlage für wichtig.
Auch eine weitere Gesprächsrunde ist mir in Erinnerung geblieben, die Alternativen für den unter Druck geratenen Lokaljournalismus im Fediverse anregte. Lokale Gruppen versorgen sich gegenseitig mit Informationen aus erster Hand. Dafür müsste man auch Strukturen ausbauen und die Werkzeuge allgemeiner bekannt machen.
Podiumsdiskussion im TV bei Alex Berlin
Zum gelungenen Abschluss ging der Fediday ins Fernsehen. Beim lokalen Sender Alex Berlin tauschten sich in einer Podiumsdiskussion einige der Fediday-RednerInnen aus.
Moderation: Volker Grassmuck, DigiGes & FediDay
Ralf Stockmann, ZLB Berlin
Valentina Hirsch, Social Media Managerin 3sat
Alexander Baratsits, DisplayEurope.eu und CBA.media
Rebecca Sieber, Juristin, Expertin für rechtliche Fragen im Fediverse
Die Diskussion zum Thema »Gemeinwohlorientierte Wissens-Infrastrukturen im Fediverse« ist in einer Videoaufzeichnung verfügbar: https://www.alex-berlin.de/videos/2097980-gemeinwohlorientierte-wissens-infrastrukturen-im-fediverse
Mein Fazit
Fedinauten und Fedinautinnen sind nicht nur online sehr aktiv, hilfsbereit und neugierig, das hat diese Veranstaltung gezeigt. Das Fediverse ist kein Ersatz für monopolistische Plattformen, sondern etwas ganz Eigenes. Ich bin gespannt, ob mehr öffentliche Einrichtungen die Möglichkeiten entdecken und wie auch die Medienwelt vielleicht stärker das Angebot nutzen wird.
Das Fediverse ist aus vielen Gründen genau das richtige Werkzeug für die heutige Situation, um sich auszutauschen, Informationen zu teilen und auch kreativ zu sein. Schön, dass es diesen Event auch im kommenden Jahr gibt. Für die Zeit dazwischen gibt es im c-base übrigens den Fediverse-Stammtisch (jeden ersten Montag im Monat).
Kommentare und Anregungen gern an meine Fedi-Adresse @aœ.